Verhaltenstherapie und Hypnose – funktioniert das?

Die Verhaltenstherapie ist eine der drei Therapieformen, die wissenschaftlich anerkannt und von der Krankenkasse bezahlt werden. Damit sind die Auswahlmöglichkeiten bei den angebotenen Methoden für Kassenpatienten sehr begrenzt (im Gegensatz zu unseren österreichischen Nachbarn, bei denen 23 psychotherapeutische Methoden gesetzlich anerkannt sind).

 

Die Verhaltenstherapie (abgekürzt VT) besteht aus einem Sammelsurium unterschiedlicher Techniken. Allen gemein ist die Annahme, dass ungünstige Verhaltensweisen und Denkmuster erlernt wurden, diese aber auch wieder verlernt werden können und durch positive Verhaltens- und Denkmuster ersetzt werden können. Für diesen Veränderungsprozess ist es nötig, dass der Klient aktiv teilnimmt, indem er die neuen Denk- und Verhaltensweisen auch außerhalb der Behandlungsumgebung übt.

 

Die Konfrontationstherapie

 

Konzentrieren wir uns bei der Verhaltenstherapie auf zwei Methoden: die Konfrontationstherapie und die kognitive Therapie. Bei der Konfrontationstherapie – die beispielsweise bei Angststörungen eingesetzt wird – stellen sich die Betroffenen der angsterzeugenden Situation und lernen so, diese „zu ertragen“, bis die negative Emotion mehr und mehr nachlässt. Bei dieser Reizkonfrontation kann unterschieden werden zwischen dem „Flooding“ und der „Desensibilisierung“.

 

Das Flooding (Überflutung) beruht auf drei Prinzipien:

 

  1. Es kommt zu einer direkten, sofortigen und intensiven Konfrontation mit der (Angst) auslösenden Situation
  2. Diese Konfrontation erfolgt solange, bis es zu einer deutlichen Reduzierung der Angstreaktion kommt
  3. Die Betroffenen dürfen die Situation – auch zum Zeitpunkt der größten Angst – nicht verlassen, sondern müssen diese solange aushalten, bis es zu einem Rückgang der Angstreaktion gekommen ist.

 

Zur Vorbereitung des Floodings wird tagelang, zum Teil über zwei Wochen geübt. Ziel des Floodings ist es nicht, dem Betroffenen zu zeigen, was „er alles aushalten“ kann, sondern es geht darum eine andere Selbstwahrnehmung zu vermitteln unter dem Motto „vertraue dir und der Situation“.

 

Das Flooding darf nicht angewandt werden bei Menschen, die psychotische Vorerkrankungen mitbringen oder unter organischen Krankheitsbildern (z.B. Herz-Kreislauf-Erkrankungen) leiden.

 

Bei der Desensibilisierung kommt es auch zu einer Reizkonfrontation mit der (angstauslösenden) Situation – jedoch in abgestufter Vorgehensweise. Die Methode besteht aus zwei Bestandteilen:

 

  1. Zunächst einmal erfolgt die Reizkonfrontation in abgestufter Form in der bewussten Vorstellung des Klienten
  2. Gleichzeit versetzt sich der Betroffene durch z.B. autogenes Training oder Muskelentspannung in einen Entspannungszustand.

 

Beherrscht der Betroffene keine Entspannungstechnik, muss ihm diese vor der eigentlichen Behandlung vermittelt werden.

 

Parallel wird gemeinsam mit dem Therapeuten eine reizauslösende Pyramide (sogenannte Angsthierarchie) erstellt. In der Behandlung kommt es jetzt zu einer gestuften Reizkonfrontation. Das heißt, der Therapeut führt den (entspannten) Klienten zunächst in die niedrigste Reizstufe (10%) der Angsthierachie und arbeitet sich dann bis zur höchsten Stufe (100%), d.h. bis zur Situation, in der der Klient die stärkste Angst hat, hoch. Das Vorgehen in den einzelnen Stufen wird solange wiederholt, bis in der jeweiligen Situation keine Angst mehr gespürt wird. Erst dann wird die nächsthöhere Reizstufe angegangen.

 

Für die Therapie werden ca. 12 Stunden veranschlagt (wobei in diesem Zeitansatz auch das Erlernen der Entspannungstechnik enthalten ist).

 

 

Die kognitive Verhaltenstherapie

 

Die Grundlage der kognitiven Verhaltenstherapie ist die Annahme, dass die Gedanken und Gefühle von Menschen einen entscheidenden Einfluss auf ihr Verhalten haben. Unsere Gedanken und/oder Vermutungen, die wir treffen, können dazu führen, dass wir zu Überzeugungen gelangen, die ungünstig für uns sind. Ziel der kognitiven Therapie ist es, diese ungesunden (und sehr häufig auch unrealistischen) Überzeugungen durch wirklichkeitsnahe Gedanken zu ersetzen.

 

Die kognitive Verhaltenstherapie ordnet zunächst einmal einem auslösenden Ereignis (Activating Event) eine Überzeugung (Beliefs) zu. Unter den Begriff der Überzeugungen fallen Glaubenssätze, Überzeugungen, persönliche Regeln und Vorstellungen. Aus A und B ergeben sich (C) Konsequenzen (Consequences) in Form von Gefühlen, körperlichen Reaktionen oder Verhaltensweisen. Lassen Sie mich das ABC-Modell anhand von zwei Beispielen verdeutlichen.

 

A – Der Profifußballer steht vor dem leeren Tor und schießt vorbei

B – Ihm kommen die Gedanken „Ich bin schlecht“ oder „was denken jetzt die anderen von mir“

C – beim Fußballer entwickeln sich Ängste und Nervosität und es tritt eine massive Verunsicherung auf, die sein zukünftiges Spiel negativ beeinflussen

 

A – Der Schüler hält ein Englisch-Referat. Bei der Präsentation verhaspelt er sich und die Mitschüler lachen ihn aus. In der Pause hänseln sie den Schüler weiter.

B – der Schüler entwickelt die Gedanken „Ich werde nie Englisch lernen“ und/oder „ich kann nicht vor anderen sprechen“.

C – auch der Schüler entwickelt Ängste und Blockaden. Es fällt ihm schwer sich zukünftig im Englischunterricht zu melden und er vermeidet zukünftige Referate.

 

Diese Beispiele verdeutlichen, welche Reaktionen durch falsche Überzeugungen hervorgerufen werden können. In der kognitiven Verhaltenstherapie werden diese negativen Denkmuster aufgegriffen und durch positive Glaubenssätze ersetzt. Der erste Schritt besteht darin, dem Klienten auf kognitiver (bewusster) Ebene zu verdeutlichen, welche Folgen die negativen Denkansätze haben und dass die positiven Überzeugungen realistischer sind. In der Regel verstehen und akzeptieren Klienten dieses Vorgehen. Als problematisch erweist sich jedoch häufig die Umsetzung.

 

Um die neue „Denkweise“ zu verinnerlichen, wird in der kognitiven Verhaltenstherapie die sogenannte Handeln-als-ob-Technik angewandt. Nachdem der Klient die neuen Glaubenssätze bewusst akzeptiert hat, orientiert sich der Klient an den Antworten der folgenden Fragen:

 

  • Wie würden Sie sich verhalten, wenn die neuen Denkmuster/Überzeugungen absolut wahr wären?

 

  • Wie verhalten Sie sich wohl in Situationen, in denen die neuen Denkmuster in Frage gestellt werden, auch wenn Sie sie für absolut wahr und sinnvoll halten?

 

  • Wie würden sich andere Menschen verhalten, die von den neuen Denkmustern/ Überzeugungen absolut überzeugt sind?

 

Wurden die Antworten vom Klienten überzeugend ausgearbeitet, kommt es in einem weiteren Schritt zur Umsetzung. Der Klient setzt die neuen Überzeugungen in der Realität um und verinnerlicht damit die neuen Denkmuster/Überzeugungen.

 

Vor- und Nachteile der Verhaltenstherapie

 

Die Wirkungen der Verhaltenstherapie sind wissenschaftlich nachgewiesen. Ist der Klient bereit, aktiv mitzuarbeiten und das Gelernte auch nach der Beendigung der Behandlung umzusetzen, ist eine gute Grundlage für den Erfolg gegeben.

 

Auf der anderen Seite fühlen sich einige Klienten durch die Übungen überfordert. Die Verhaltenstherapie wird den Langzeittherapien zugeordnet und können 80 und mehr Therapiestunden (bei einer Sitzung pro Woche mit 50 Minuten) umfassen. Besteht zwischen dem Therapeuten und dem Klienten keine vertrauensvolle Beziehung, ist die Verhaltenstherapie in der Regel zum Scheitern verurteilt. Die Umstellung, ohne den Therapeuten nach dem Ende der Behandlung auszukommen, fällt vielen Klienten schwer und es besteht die Gefahr, in alte Denk-und Verhaltensmuster zurückzufallen. Durch die Verhaltenstherapie wird neues Verhalten bzw. Denken gelernt – die Ursachen für das alte, negative Muster werden jedoch nicht angegangen.

 

Verhaltenstherapie und Hypnose

 

Trotz der aufgelisteten Nachteile, hat die Verhaltenstherapie ihre Berechtigung, weil die Wirkungen unbestreitbar sind. Auch in der Hypnosetherapie gibt es Konstellationen, die deren Grenzen aufzeigen. Bei der effektivsten Technik – der regressiven Hypnose – kann es zum Beispiel passieren, dass die Klienten Angst vor „negativen Erinnerungen“ bekommen, die sie nicht bewältigen können oder wollen. Entweder verweigern diese Klienten die Hypnose oder sie kommen nur in eine nicht ausreichende Hypnosetrance. Auch ist es in der Praxis möglich, dass Klienten, den benötigten „körperlichen Marker“ („Wo im Körper spüren Sie die Angst“?) nicht fühlen und beschreiben können. In beiden Fällen ist die regressive Hypnose nicht die Methode der ersten Wahl. Da aus meiner Sicht die suggestive Hypnose immer nur eine unterstützende Funktion haben sollte, erfolgt häufig ein enttäuschender Abbruch der Behandlung. Warum also nicht Elemente der Verhaltenstherapie in der Hypnosetherapie nutzen?

 

Greifen wir zunächst die Konfrontationstherapie auf. Eine der Grundlagen dieser Therapieform ist – neben der Konfrontation mit dem reizauslösenden Moment – das Erlernen einer Entspannungstechnik. Für das Einüben sind in der Planung lediglich zwei Stunden vorgesehen. Kurse, in denen Autogenes Training vermittelt werden, laufen in der Regel jedoch über mehrere Wochen mit einer wöchentlichen Trainingsstunde. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass die darauffolgende Übungsphase erst den erwünschten Entspannungseffekt bringt. Durch Hypnose kann die Lern- und Übungsphase entfallen, da ja die hypnotische Trance die gewünschte Entspannung schon hervorruft. Ein weiterer Vorteil der Hypnosetherapie besteht darin, dass der Klient die negative Situation und die damit verbundene Emotion in der Trance sehr intensiv spüren kann. Dabei unterscheidet das menschliche Gehirn nicht, ob die Situation real erlebt wird oder in der Vorstellung erfolgt – die Wirkung ist identisch. Ein versierter Hypnosetherapeut kann seine Klienten sehr tief und intensiv in die Situation führen und damit den negativen Reiz spüren lassen. Er kann aber auch das positive Gefühl als Gegenstück zur negativen Emotion deutlich hervorheben.

 

Ähnlich verläuft der Prozess bei der kognitiven Verhaltenstherapie. Auch hier wird der Klient in die problematische Situation geführt und der Therapeut lässt ihn diese „plastisch“ erleben, wobei er ihm die positiven Gedankenmuster suggeriert und erleben lässt.

 

Die Kombination von verhaltenstherapeutischen Elementen und Hypnosetherapie beschleunigt das Therapieverfahren drastisch, spart Zeit und lässt den Klient das „Wahrnehmen“ der negativen Situation und die Veränderungen deutlicher spüren, als wenn dies im „bewussten“ Zustand der Fall ist.